Einkommensungleichheiten können mit verschiedenen Verteilungsmaßen dargestellt werden. In der folgenden Darstellung wurde der GINI-Index genutzt, um die Einkommensentwicklung in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre darzustellen. Ab 2012 lässt sich auch auf europäischer Ebene ein Vergleich anstellen. Der Index hat einen Wertebereich zwischen 0 (maximale Gleichverteilung) und 1 (maximale Ungleichverteilung).
Daten des SOEP
Das sozioökonomische Panel (SOEP) erfasst die Personen- und Haushaltseinkommen der Befragten sehr differenziert. Die Angaben bis 1990 beziehen sich nur auf Westdeutschland. Alle Einkommen wurden äquivalenzgewichtet (neue OECD-Skala) und berücksichtigen auch den fiktiven Mietwert von selbstgenutztem Wohneigentum.
Die schwarze Linie gibt die Entwicklung der Ungleichheiten der Markteinkommen (Pre-Government-Income) wieder; der Wert ist von 0,4 im Erhebungsjahr 1985 – die Einkommen beziehen sich dann auf 1984 – auf 0,45 angestiegen. Der Wert steigt in den 1990er Jahren und in der ersten Hälfte der 2000er Jahre kontinuierlich an; danach stabilisiert er sich bei etwa 0,45. Die Markteinkommen umfassen die Einkommen aus Arbeit (z.B. Löhne oder Gewinne) und Vermögen sowie die erhaltenen privaten Transfers und privaten Renteneinkommen.
Die rote Linie steht für die Entwicklung der Ungleichheit der Nettoeinkommen (Post-Government-Income). Diese beinhalten die Markteinkommen, zuzüglich der Einkommen aus (nicht privaten) Renten und Sozialleistungen, abzüglich von Steuern und Sozialabgaben. Durch diesen im weiteren Sinne staatlich organisierten Umverteilungseffekt fällt der GINI-Index deutlich geringer aus als der der Markteinkommen. So lag der Wert 1985 bei nur 0,25. Der Anstieg setzt verglichen mit den Markteinkommen deutlich später ein; der stärkste Zuwachs findet sich kurz nach der Jahrtausendwende; danach schwächt sich der Zuwachs deutlich ab. Für das Erhebungsjahr 2021, also die Einkommen von 2020, liegt der Wert bei 0,3.
Die grüne Kurve informiert über den Grad der staatlichen Umverteilung, indem ermittelt wird, um welchen Anteil sich der GINI-Wert der Markteinkommen durch die staatliche Umverteilung reduziert. Die Reduktion hatte zunächst recht stabil bei etwa 40% gelegen. Seit 2005 ist sie jedoch recht kontinuierlich zurückgegangen und liegt in dem ersten Corona-Jahr bei nur noch 33%.
Daten des EU-SILC
Auch die Daten der European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC) ermöglichen inzwischen eine detaillierte Rekonstruktion der individuellen bzw. haushaltlichen Einkommenssituation. Die Erhebung der Daten für Deutschland wurde seit 2020 neu organisiert. Sie wurde als eine Unterstichprobe in den Mikrozensus integriert. Daher kommt es zu einem Zeitreihenbruch: aus einer bis 2020 freiwilligen Erhebung (mit zuletzt 14.000 befragten Haushalten) wurde eine Erhebung mit Teilnahmepflicht in 40.000 Haushalten. Die methodische Neukonzeption des Mikrozensus ging mit anfänglichen technischen Schwierigkeiten einher; hinzu kamen die Auswirkungen der Corona-Krise. Erst ab 2022 konnten die in den Jahren 2020 und 2021 hohen Ausfallquoten reduziert werden, jedoch führte die in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine starke Zuwanderung zu einer beständigen Veränderung der Grundgesamtheit im Lauf des Jahres 2022.
Die schwarze Kurve zeigt die Entwicklung des Gini-Index in Deutschland seit 2012; der Verlauf weicht nicht erheblich von den Daten des SOEP ab. Nach den Daten des EU-SILC kommt es im Kontext der Corona-Krise sogar zu einem leichten Rückgang des GINI-Index.
Da an der EU-SILC Befragung neben den jeweiligen EU-Ländern auch die Schweiz, Norwegen, Island, Türkei, Serbien und Nordmazedonien teilnehmen, lässt sich mit diesen Daten die Entwicklung von Einkommensungleichheiten in Europa recht gut abschätzen. In dem hier betrachteten Zeitraum weisen die Gini-Indices der verschiedenen Regionen bei fortbestehenden regionalen Unterschieden eine leichte Konvergenz auf.
Der durchschnittliche bevölkerungsgewichtete Gini-Index der westeuropäischen Länder (grüne Kurve) bleibt recht stabil; erkennbar sind jedoch die Effekte des Brexit, die von 2018 auf 2019 zu einem deutlichen Rückgang der westeuropäischen Werte führen.
In den nordeuropäischen Ländern (hellblaue Kurve) kommt es zu einem allmählichen Anstieg der Gini-Indices; dennoch liegt der Wert auch 2023 unterhalb aller anderen Regionen.
Sowohl in Südeuropa (orangene Kurve) wie in Osteuropa (dunkelblaue Kurve) kommt es zu einem Rückgang der Gini-Indices; die Unterschiede beider Regionen bleiben jedoch bestehen.