Das Konzept wird in der Einkommensforschung benutzt, um die Einkommen verschiedener Haushaltstypen vergleichbar zu machen.
Die Ermittlung von Einkommen, z.B. in der Armuts- und Reichtumsforschung, erfolgt sinnvoller Weise auf der Haushaltsebene. In den Haushalten fließen Einkommen aus verschiedenen Quellen zusammen. Bestimmte Transferleistungen gehen direkt an den Haushalt und nicht an einzelne Personen. Umgekehrt werden auf der Haushaltsebene Einkommen umverteilt, indem z.B. nicht oder gering erwerbstätige Partner_innen, oder Kinder und Jugendliche unterstützt werden.
Um nun die Einkommen von Personen aus verschiedenen Haushalten vergleichbar zu machen, müssen drei Faktoren berücksichtigt werden:
- die Größe der Haushalte: d.h. die Zahl der Personen, die in einem Haushalt leben
- die Struktur der Haushalte: d.h. die Zahl der Erwachsenen und die Zahl der Kinder und Jugendlichen
- die Skaleneffekte größerer Haushalte: damit ist gemeint, dass größere Haushalte einen Einkommensvorteil haben, weil sie z.B. bestimmte Güter gemeinsam nutzen können. Man teilt sich einen Kühlschrank oder ein Auto; die Güter sind dann vielleicht etwas größer, aber verglichen mit der entsprechenden Zahl von Gütern für einen Singlehaushalt gibt es einen Einkommensvorteil.
Diese Probleme werden in der Einkommensforschung über die Verwendung von Gewichtungsfaktoren gelöst; die Gewichte sollen die Äquivalenz, die Gleichwertigkeit, der Personen unabhängig von der Haushaltsstruktur gewährleisten. So liegen z.B. seitens der OECD zwei Vorschläge vor, die Gewichtung nach der neuen und nach der alten OECD-Skala. Typischerweise wird in der heutigen Forschung die neue OECD-Skala verwandt, das gilt z.B. auch für die Berechnung von Armutsquoten in der EU.
Gewichtungsfaktoren | neue OECD Skala | alte OECD-Skala |
die erste erwachsene Person | 1 | 1 |
weitere Erwachsene | 0,5 | 0,7 |
Jugendliche bzw. Kinder unter 15 | 0,3 | 0,5 |
In der folgenden Tabelle sieht man, wie diese Gewichte angewandt werden.
In einem Single-Haushalt mit einem Erwachsenen stellen sich die diskutierten Probleme nicht; für den ersten und einzigen Erwachsenen beträgt das Gewicht 1; d.h. das tatsächliche Nettoeinkommen und das Nettoäquivalenzeinkommen unterscheiden sich nicht.
Single- Haushalt | Nettoeinkommen des Haushalts: 1500,- € | Nettoäquivalenzeinkommen: |
Gewichtung: | alte OECD-Skala: 1 neue OECD-Skala: 1 | 1500/1=1500,- € 1500/1=1500,- € |
Pro-Kopf-Einkommen | (zum Vergleich) | 1500/1=1500,- € |
Paar mit einem Kind | Nettoeinkommen des Haushalts: 2500,- € | Nettoäquivalenzeinkommen: |
Gewichtung: | alte OECD-Skala: 1+0,7+0,5=2,2 neue OECD-Skala: 1+0,5+0,3=1,8 | 2500/2,2=1136,- € 2500/1,8=1389,- € |
Pro-Kopf-Einkommen | (zum Vergleich) | 2500/3 = 833,- € |
In dem Paarhaushalt mit einem Kind wird das Gewicht nach der neuen OECD-Skala wie folgt additiv ermittelt: 1 für die erste erwachsene Person + 0,7 für eine weitere erwachsenen Person + 0,5 für das Kind. Durch dieses Gewicht von 2,2 wird das Nettoeinkommen dividiert; es ergibt sich ein Nettoäquivalenzeinkommen von ca. 1136€. Verglichen, mit einem einfache Prokopf-Einkommen wird der Haushalt durch die Äquivalenzgewichtung scheinbar reicher, das geht auf die Einkommensvorteile größerer Haushalte und auf die unterschiedlichen Bedarfe von Kindern und Erwachsenen zurück. Dieser grundsätzlich sinnvolle Effekt führt dann aber auch dazu, dass sich die Äquivalenzeinkommen im Zeitverlauf verändern können, wenn sich lediglich die Haushaltsstruktur und nicht die Nettoeinkommen verändern.
Das Nebeneinander dieser beiden (und es gibt auch noch weitere Vorschläge) Gewichtungsskalen zeigt bereits, dass die Wahl dieser Gewichtungsfaktoren nicht ganz unumstritten ist. Würde für die Ermittlung des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens die alte anstelle der neuen Skala verwendet, würde die Gesellschaft damit ärmer erscheinen. Zudem wird an solchen Gewichtungen kritisiert, warum denn nicht auch andere besondere Bedarfe, die z.B. durch eine chronische Erkrankung entstehen, berücksichtigt werden.
Ich denke, das Ansinnen einer solchen Äquivalenzgewichtung ist grundsätzlich richtig. Mit der neuen OECD-Skala liegt ein Standard vor, der mit den zumeist ohnehin vorliegenden Daten über den Haushalt recht einfach umgesetzt werden kann. Solche Standards sind für eine global und über lange Zeiträume vergleichende Forschung unerlässlich. Man muss aber um die Tücken dieses Standards wissen, und dieses Wissen bei der Interpretation von Nettoäquivalenzeinkommen berücksichtigen.