Während individualisierte Einkommensverteilungen den Vorteil bieten, die Streuung von Einkommenslagen unabhängig von sozialen Gruppenkonstrukten darstellen zu können, ermöglichen es sozial strukturierte Einkommensverteilungen, die Positionierung und die Heterogenität bzw. Homogenität von Sozialgruppen abzuschätzen.
Die folgende Tabelle informiert über die Verteilung des Nettoäquivalenzeinkommens verschiedener sozialer Gruppen auf Einkommensquintile; demnach haben 56% der leitenden Angestellten in Westdeutschland ein Nettoäquivalenzeinkommen, das im obersten Fünftel der Einkommensverteilung liegt. Der Übersichtlichkeit halber wurde auf das 2. und 4. Quintil verzichtet; daher summieren sich die Zeilen nicht auf 100%. Vermutlich sind in der Spaltenstruktur die Anteile an den gesamtdeutschen Quintilen angegeben.
An dieser Tabelle lassen sich drei wichtige Strukturmomente beobachten
- Wenn man zunächst die Erwerbstätigengruppen der bis 60-Jährigen vergleicht, ist auf die deutlich erkennbare vertikale Differenzierung zu verweisen. Der bereits erwähnten Gruppe der leitenden Angestellten bzw. höheren Beamten, von denen deutlich mehr als die Hälfte im obersten Einkommensquintil rangiert, stehen die un- und angelernten Arbeiter:innen gegenüber, von denen ein Drittel nur über ein Einkommen im untersten Quintil verfügt. In der Gruppe der Arbeitslosen fallen sogar 77% in die unterste Einkommensgruppe.
- Zum zweiten werden die deutlichen Ost-West-Unterschiede deutlich, die sich in fast allen Einkommensgruppen zeigen. So befinden sich im Osten nur 19% der leitenden Angestellten bzw. höheren Beamten im obersten Einkommensquintil. Mit Ausnahme der Gruppe der Selbstständigen und Freiberuflichen findet sich diese West-Ost-Differenz in allen Berufsgruppen.
- Zum dritten wird deutlich, dass sich die Einkommenslage mit Eintritt in den Ruhestand deutlich verändert, dass zugleich aber die lebenszeitlich erworbenen Versorgungsansprüche die vorherige soziale Positionierung tendenziell fortschreiben.
An dieser Tabelle läßt sich recht gut recht gut ein vielleicht irritierender Effekt der Nettoäquivalenzeinkommen erläutern. Diese Einkommen beziehen sich auf Personen, berücksichtigen aber auch deren Haushaltszusammenhang. So kann z.B. ein angelernter Arbeiter, der mit einer Chefärztin zusammenlebt durchaus ein Nettoäquivalenzeinkommen im obersten Quintil erreichen. D.h. man erfährt somit implizit auch etwas über die Partnerschaftschancen der verschiedenen Gruppen.
Kommentar
In diesem Sinne kann die Tabelle auch als Warnung vor einem gruppistischen Fehlschluss gelesen werden. Wenn man einmal von (nicht gänzlich auszuschließenden) Erhebungsfehlern absieht, zeichnen sich insbesondere die mittleren aber auch die darunter und darüber liegenden Gruppen oft durch eine ganz erstaunliche Streuung der Einkommen aus; das kann neben dem erwähnten Partnerschaftseffekt, z.B. auch auf Unterschiede im Arbeitsvolumen, auf eine nicht qualifikationsadäquate Beschäftigung, auf nicht qualifikationsabhängige Entlohnungsunterschiede (z.B. gender-pay-gap oder Senioritätsregeln) zurückgehen
Literatur
Datenreport 2021, hrsg. vom Statistischen Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung