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Das von Ralf Dahrendorf in den 1960er Jahren vorgeschlagene Schichtungsmodell arbeitet mit der Abgrenzung von sieben sozialen Gruppen. Die Abgrenzung der Gruppen geht auf den Autor zurück; bei den Bezeichnungen nutzt er beinahe die gesamte Palette der in Sozialstrukturanalysen zu findenden Begrifflichkeiten. So spricht er von Schichten, Ständen, Klassen und Eliten (wörtlich: Auserlesenen). Die Größenangaben gehen, wie er freimütig zugesteht, auf »informierte Willkür, also begründete Schätzung« (1968, S. 196) zurück; zu vermuten ist, dass er sich an Angaben aus der amtlichen Statistik orientiert hat.

Quelle: Dahrendorf (1968a, S. 97)
Abb. 1: Soziale Schichtung des deutschen Volkes

Die hier eher formal dargestellten Gruppen werden dann jedoch über weitere Informationen detaillierter in ihrer sozialen Orientierung beschrieben. Zudem erwähnt er auch die recht anders strukturierte Gesellschaft der DDR. Jenseits der in dem Schaubild dargestellten Gruppen, die über erwerbbare Positionen verfügen, verweist er auf die Bedeutung von zugeschrieben Positionen (z.B. nach Geschlecht oder Alter), auf die Rolle der sozialen Herkunft, auf religiöse und regionale bzw. Stadt-Land-Differenzierungen, auf unterschiedliche Bildungschancen, auf die große Gruppe der Flüchtlinge und Vertriebenen und auf die Unterschiede zwischen traditionalen und modernen bzw. rationalen Orientierungen. Er hebt die gestiegene soziale Mobilität hervor, macht aber auch auf deren Grenzen aufmerksam. So diagnostiziert er drei Barrieren in der Schichtstruktur der deutschen Gesellschaft:

Kommentar

Verglichen mit anderen in den Nachkriegsjahrzehnten entstandenen Schichtungsmodellen, die auf Basis von Umfragedaten die Verteilung nach bestimmten Sozialschichten ermitteln, zeichnet sich Dahrendorfs Modell zum einen durch eine substantielle Argumentation, die hier nur skizziert werden konnte, aus. Er liefert zudem eine (nicht numerische) Begründung für die vertikale Dimension, indem er sich für die Verteilung von Macht interessiert. In der Tradition Geigers versucht er schließlich, die Schichten auch über ihre ›Mentalitäten‹ zu beschreiben; so greift er z.B. für die Arbeiterschaft auf die Studien von Popitz und Bahrdt (1957) zurück.

Umgekehrt spiegeln sich in Dahrendorfs Studie in erheblichem Maße auch die blinden Flecken seiner Zeit; d.h.:

Literatur

Dahrendorf, Ralf 1968: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München: dtv

Dahrendorf, Ralf 1968: Gibt es noch Klassen? Die Begriffe der ›sozialen Schicht‹ und ›sozialen Klasse‹ in der Sozialanalyse der Gegenwart, in: Seidel, Bruno/ Jenkner, Siegfried, Klassenbildung und Sozialschichtung, Darmstadt, 1968, S. 279-296

Popitz, Heinrich/ Hans Paul Bahrdt/ Ernst August Jüres/ Hanno Kesting 1957: Das Gesellschaftsbild des Arbeiters. Soziologische Untersuchung der Hüttenindustrie, Tübingen: Mohr

Renner, Karl 1953: Wandlungen der modernen Gesellschaft: Zwei Abhandlungen über die Nachkriegszeit, Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung