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Vermögensklassen bei Lauterbach & Ströing

Das von Lauterbach und Ströing (2009) für die Reichtumsforschung vorgeschlagene Modell kombiniert eine Einkommens- mit einer Vermögensperspektive, um verschiedene Gruppen von Wohlhabenden bzw. Vermögenden gegeneinander abzugrenzen.

Begründung des Modells

Die Integration einer Einkommens- und einer Vermögensperspektive hat zunächst sicherlich pragmatische Gründe. Darüber hinaus fokussieren die Autor:innen dann aber auf eine Unterscheidung von Wohlhabenden und Reichen.

»Der Grund dafür liegt darin, dass wohlhabende Personen durch ihr Erwerbseinkommen wohlhabend sind. Bei Reichen (…) hat das Einkommen hingegen eine wesentlich geringere Bedeutung für das Gesamtvermögen. Sowohl Einkommens- als auch Vermögensaspekte werden in den Blick genommen und die Dimensionen, die Wohlstand und Reichtum ausmachen, adäquat erfasst. Neuartig (…) ist, dass differenziert wird, welche Dimensionen über das Einkommen relativ zum Durchschnitt ermittelt werden können und welche Dimensionen aufgrund ihres Ausmaßes nicht mehr über das Einkommen, sondern über Vermögenswerte ausgemacht werden. So lassen sich hier auf einen Blick die verschiedenen Dimensionen monetären Reichtums erfassen« (2009, S. 22f).

Operationalisierung

Für das Modell werden zum einen Befunde aus der zumeist nationalen Armuts- und Reichtumsforschung genutzt. In diesen Studien werden auf Basis von Befragungen eines Bevölkerungsquerschnitts Äquivalenzeinkommen ermittelt, um dann z.B. den Anteil der Bevölkerung unterhalb bzw. oberhalb bestimmter relativer Armuts- und Reichtumsgrenzen zu bestimmen.

Zum anderen werden Studien zu Personen mit hohen Nettovermögen (High Net Worth Individuals) bzw. zu ›Superreichen‹ genutzt; hierbei wird typischerweise mit absoluten Vermögenswerten gearbeitet.

Eigene aktualisierte Darstellung nach Lauterbach/ Ströing (2009, S. 20) bzw. Capgemini Research Institute (2025, S. 19)

Die Grenzlinien für die relative Betrachtung von Einkommen gehen auf die z.B. in der Armuts- und Reichtumsberichterstattung zu findenden Abgrenzungen zurück.

Der Durchschnitt des Nettoäquivalenzeinkommens lag 2024 nach Daten des Statistischen Bundesamtes (EU-SILC) bei 27.619 € (Median) bzw. 31.856 € (ar. Mittel). Dementsprechend gehören zu den Wohlhabenden all jene, deren Nettoäquivalenzeinkommen bei mindestens 55.238 € bzw. 63.712 € liegt. Für die sehr Wohlhabenden lag die Einkommensgrenze dann bei 82.857 € bzw. 95.568 €.

Die Gruppe der HNWI´s (High Net Worth Individuals) umfasst Gruppen mit einem hohen verfügbaren Kapitalvermögen. Die Vermögensangaben werden wie folgt ermittelt:

  • »Include the value of private equity holdings stated at book value and all forms of publicly quoted equities, bonds, funds, and cash deposits.
  • Exclude collectibles, consumables, consumer durables, and real estate used for primary residences.
  • Calculate offshore investments based on estimates each market provides regarding their citizens’ flow of property and investments into and out of their jurisdiction.
  • Account for undeclared savings« (Capgemini Research Institute 2025, S. 56).

Die untere Gruppe der HNWI´s  mit einem Kapitalvermögen zwischen 1-5 Mio. $, in der Studie wird von Millionaires Next Door gesprochen, wird global betrachtet auf 21.017 Tsd. Personen geschätzt.

Die mittlere Gruppe der HNWI´s  mit einem Kapitalvermögen zwischen 5-30 Mio. $, in der Studie wird von Mid-tier Millionaires gesprochen, wird global betrachtet auf 2.162 Tsd. Personen geschätzt.

Die obere Gruppe der HNWI´s, in der Studie wird von ultra-high HNWI’s gesprochen, verfügt über ein Kapitalvermögen von mehr als 30 Mio. €. In der Capgemini-Studie ist diese Gruppe nach oben offen und umfasst global ca. 234 Tsd. Personen.

Weitere Abgrenzungen von sehr reichen Personen gehen auf Konventionen zurück, wenn z.B. ab 300 Mio. $ von Superreichen gesprochen wird. In der vom Wirtschaftsmagazin Forbes zusammengestellten Liste wird eine Vermögensgrenze von 1 Milliarde $ angesetzt.

Kommentar

Auch wenn die Zusammenführung einer relativen einkommensbezogenen und einer absoluten vermögensbezogenen Perspektive zunächst eher technisch anmutet, ist die dahinterliegende Argumentation nicht unplausibel. D.h. es werden auf der einen Seite Gruppen unterschieden, bei denen die Erzielung von Einkommen im Zentrum ihrer Arbeits- und Lebensweise steht und dem Vermögen eine zweitrangige Bedeutung zukommt. Auf der anderen Seite stehen Gruppen, bei denen das Vermögen, die Frage seiner Sicherung, Verwertung, Vermehrung und generationalen Übertragung im Zentrum stehen. Eventuell vorhandene laufende Einkommen spielen hier eine nachrangige Rolle.

Auch für die Frage, mit welchen sozialen Gruppen man sich vergleicht oder welche sozialisatorischen Effekte sich für die nachwachsenden Generationen einstellen, ist die getroffene Unterscheidung inspirierend.

Problematischer ist dann jedoch, wie auch die Autor:innen zugestehen, die Frage der relativen und absoluten Grenzziehung. Das ist aber ein Grundproblem quantifizierender Sozialstrukturanalysen.

Literatur

Lauterbach, Wolfgang/ Miriam Ströing 2009: Wohlhabend, Reich, Vermögend, in: Wolfgang Lauterbach u.a. (Hrsg.), Reichtum und Vermögen. Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Reichtums- und Vermögensforschung, Wiesbaden: Springer, S. 13-28

Capgemini Research Institute 2025: World Wealth Report 2025 [https://www.capgemini.com/de-de/insights/research/world-wealth-report/]

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