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Der Soziologe Göran Therborn (2013, S. 49) hat ein spezifisches Verständnis von (globalen) sozialen Ungleichheiten entwickelt, indem er drei Sphären von Ungleichheiten unterscheidet:

Während die klassische Ungleichheitsforschung sich oft auf die Ungleichheiten der dritten Art (Ressourcen) beschränkt, lenkt Therborn den Blick auf die wesentlichen Voraussetzungen, die erforderlich sind, um solche Ressourcen nutzen zu können. Therborn begründet sein Konzept mit Bezug auf eine Frage Martha Nussbaums (2011, S. 32) nach den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens. Therborn spitzt seine Antwort zu, indem er menschliche Wesen, als Organismen (mit Körper und Geist), als Personen (in sozialen und rechtlichen Kontexten) und schließlich als Handelnde begreift, die angesichts begrenzter Ressourcen bestimmte Ziele verfolgen (vgl. Therborn 2013, S. 48f).

Verknüpfung der Ungleichheitsdimensionen

Therborn macht deutlich, dass diese drei Ungleichheitsdimensionen miteinander zusammenhängen, aber nicht in einer zwingenden Weise. Er verdichtet die ursächlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu einer Tabelle:

Kind of inequalityRoots & dynamicsInteractions
VitalPopulation ecology Status system Medical knowledgeSending: impact on Resource inequality Receiving: major impact from Existential & Resource inequality
ExistentialFamily-sex-gender system Ethno-racial relations Social status systemSending: major impact on Vital & Resource inequality Receiving: major impact from Resource inequality
ResourceEconomic, political &cognitive systems, ecology & performanceSending: impact on Vital & Existential inequality Receiving: impact from Existential inequality, & from Vital inequality
Quelle: Therborn 2013, S. 53

Die von der Bevölkerungsökologie untersuchten Umwelteinflüsse haben in ganz unterschiedlicher Weise Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung, so z.B. in tropischen Regionen oder in den Slums der großen Städte. Das family-sex-gender System reguliert verwandtschaftliche, geschlechtliche und sexuelle Beziehungen in vielen Weltregionen. Auch ethnisch-kulturelle  Unterscheidungen fungieren vielerorts als ein wesentliches soziales Ordnungsmoment. Schließlich sind wirtschaftliche bzw. politische Systeme als ein wesentlicher Ungleichheitsfaktor zu begreifen, indem sie Produzierende und Aneignende bzw. Herrschende und Beherrschte hervorbringen. Im 20. Jahrhundert haben Verhältnisse der gewählten Herrschaft zu neuen Dynamiken von Gleichheiten und Ungleichheiten geführt. Schließlich sind alle Systeme ihrerseits in den ökologischen Raum eingebettet (vgl. S. 52f).

Literatur

Nussbaum, Martha C. 2011: Creating Capabilities. The Human Development Approach. Harvard University Press

Therborn, Göran 2006: Meaning, Mechanisms, Patterns, and Forces, in: ders. (Hrsg), Inequalities of the World. New Theoretical. Frameworks, Multiple Empirical Approaches. London/, New York: Verso, S. 1- 58

Therborn, Göran 2013: The Killing Fields of Inequality, Cambridge, UK: Polity Press

Therborn, Göran 2016: Klasse im 21. Jahrhundert, in: Heinz Bude, Philipp Staab (Hrsg.), Kapitalismus und Ungleichheit. Die neuen Verwerfungen, Frankfurt/M.: Campus, S. 285-315

Therborn, Göran 2019: An Agenda for Class Analysis, in: Catalyst, Vol. 3, No. 3, S. 89-113