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Fragen nach der sozialen Selbstverortung werden erst mit der Loslösung der Sozialforschung von den Logiken der amtlichen Statistik denkbar, die mit der Entwicklung der (privaten) Umfrageforschung vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg einhergeht.

Schichtzuordnung

Eine Strategie besteht darin, dass den Befragten eine Liste von z.B. fünf sozialen Gruppen vorgelegt wird und diese um eine Zuordnung gebeten werden. So wird im Allbus gefragt »Es wird heute viel über die verschiedenen Bevölkerungsschichten gesprochen. Welcher Schicht rechnen Sie sich selbst eher zu, der Unterschicht, der Arbeiterschicht, der Mittelschicht, der oberen Mittelschicht oder der Oberschicht?«

 Unter-schichtArbeiter-schichtMittel-schichtobere Mittel-/ Oberschicht
Westdeutschland    
19801305910
19911246213
20001305910
20103236213
20182236114
Ostdeutschland    
1991357372
2000249453
2010438516
2018336565
Angaben in Prozent, Quelle: Datenreport 2021, S. 276
Tab. 1: Subjektive Schichtzugehörigkeit in Deutschland 1980 – 2018

In der Tabelle werden deutliche Unterschiede zwischen der Selbstzuordnung in West- und Ostdeutschland erkennbar. Das hängt auf der einen Seite mit den sich abschwächenden aber noch immer bestehenden sozialen Unterschieden zwischen beiden Landesteilen zusammen. So haben sich zwar die Einkommen deutlich angenähert; angesichts der recht unterschiedlichen Geschichte fallen aber die Vermögensverhältnisse, die für die soziale Selbstverortung vermutlich eine nicht unerhebliche Rolle spielen, deutlich auseinander. Auf der anderen Seite hängen diese Unterschiede aber auch mit ›Sprachregelungen‹ zusammen, die sich bis 1989 in beiden Landesteilen recht unterschiedlich entwickelt haben. So verstand sich die DDR vorrangig als Arbeiter- und Bauernstaat, in dem die oberen (›bürgerlichen‹) Schichten eher kritisch beäugt wurden. In der Bundesrepublik setzte sich umgekehrt recht früh eine Orientierung an der Mittelschicht durch.

Selbstskalierung

Eine andere Strategie der Erhebung der sozialen Selbstverortung nutzt eine Oben-Unten-Skala mit 10 Ausprägungen. In der Allbus-Befragung 2018 heißt es: »In unserer Gesellschaft gibt es Bevölkerungsgruppen, die eher oben stehen, und solche, die eher unten stehen. Wir haben hier eine Skala, die von oben nach unten verläuft. Wenn Sie an sich selbst denken: Wo würden Sie sich auf dieser Skala einordnen?

 WestOst
Bis 60 Jahre:  
Leitende Angestellte, höhere Beamtenschaft7,46,8
Hoch qual. Angestellte, gehobene Beamtenschaft7,17,1
Selbstständige, freie Berufe6,86,9
Qualifizierte Angestellte, mittlere Beamtenschaft6,56,5
Meister/-innen, Vorarbeiter/-innen6,36,9
Einfache Angestellte, Beamtenschaft5,95,8
Facharbeiter/-innen5,85,8
Un-, angelernte Arbeiter/-innen5,75,4
Arbeitslose4,64,5
Studium, Lehre6,56,5
Hausfrauen/-männer6,1/
Vorruhestand5,54,4
Noch nie/nicht erwerbstätig5,55,3
 Ab 61 Jahren:  
Noch erwerbstätig6,86,3
Rentner/-innen (ehem. Angestellte, Beamte)6,66,2
Rentner/-innen (ehem. Selbstständige)6,65,6
Rentner/-innen (ehemalige Arbeiter/-innen)5,75,8
Quelle: Datenreport 2021, S. 275
Tab. 2: Durchschnittliche Selbstverortung nach der Stellung im Beruf

Fast alle hier dargestellten Sozialgruppen positionieren sich im Durchschnitt oberhalb der Mitte, also in Kategorie 6 und höher. Darunter liegen nur die Arbeitslosen in West und Ost sowie die Ostdeutschen im Vorruhestand. Bei den Erwerbstätigen finden sich in Ost und West relativ ähnliche Verortungen.  Deutlicher fallen die Unterschiede bei den über 60-Jährigen aus. Von den ehemaligen Arbeiter:innen abgesehen weisen alle älteren Gruppen in den neuen Bundesländern deutlich niedrigere Werte der Selbstverortung auf.

Literatur

Datenreport 2021, hrsg. vom Statistischen Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung [Link]