Die Ermittlung von Informationen z.B. zu Einkommenshöhe und Armutsrisiken auf der Basis von Querschnittdaten ist bekanntlich nicht unproblematisch, weil die Einkommensverhältnisse und Haushaltsstrukturen sich beständig verändern können. Das häuft sich zwar in bestimmten Lebensphasen, aber grundsätzlich sind recht viele soziale Gruppen bzw. Haushaltskonstellationen nicht davor gefeit.
Man hat nun mit Wiederholungsbefragungen wie dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) auch die Möglichkeit, Einkommensverläufe zu beschreiben. Aber es ist natürlich bei freiwilligen Befragungen nicht selten, dass die Befragten aus verschiedensten Gründen die weitere Teilnahme verweigern oder sie trotz vieler Bemühungen nicht mehr erreichbar sind. Auch über ihre Vorgeschichte vor der Erstbefragung hat man keine exakten Einkommensinformationen.
In der Armutsforschung versucht man daher z.B., einen Fünf-Jahreszeitraum zu betrachten und die Zahl der Armutsphasen zu bestimmen. Damit schließt man dann aber bereits all jene aus, die weniger als fünf Jahre oder noch keine fünf Jahre teilgenommen haben. Wenn man sich sicher sein könnte, dass das keine systematische Verzerrung erzeugt, ist das kein Problem; aber da sind gewisse Zweifel angebracht. Im Folgenden findet sich noch ein anderes Vorgehen; auch das ist recht problematisch, aber man bekommt durchaus wichtige Hinweise, um die Bedeutung von Verlaufseffekten einschätzen zu können.
In der Abbildung ist zunächst die Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen für das Erhebungsjahr 2020 abgetragen, die Einkommensangaben beziehen sich auf das Vorjahr. Der zweiten (roten) Verteilung liegt der Durchschnittswert aller relativen Einkommen eines jeden SOEP-Befragten zwischen 1984 und 2020 zugrunde. Das könnten maximal 37 Jahre sein; bei vielen sind es deutlich weniger, bei einigen nur ein oder zwei Jahre. D.h. der Verteilung liegt für jede befragte Person das über die Dauer der SOEP-Teilnahme gemittelte Einkommen zugrunde.
Grundsätzlich führt eine Verteilung auf Basis der durchschnittlichen Einkommensanteile zu einer deutlich steileren Verteilung. D.h. wenn es um Personen geht, die im Laufe ihrer SOEP-Zugehörigkeit neben Phasen des Armutsrisikos auch Phasen höheren Einkommens haben, dann kann sich der mittlere relative Einkommenswert anheben. Deutliche Unterschiede werden an der linken Flanke erkennbar; der Anteil derer, die im Bereich von weniger als 60% liegen, beträgt im Jahr 2020 16,8%, das entspricht der Armutsrisikoquote des Jahres. Bei der Verteilung kumulierten Einkommen liegt der Anteil der Befragten mit einem durchschnittlichen relativen Einkommen von weniger als 60% – man sollte wegen der anderen Berechnungsweise keinesfalls von einer Armutsrisikoquote sprechen – bei 8,7%.
Diese Berechnung sollte wohlgemerkt mit äußerster Vorsicht betrachtet werden, weil die Verweildauer der Befragten im SOEP sehr unterschiedlich ist, und die Personen damit nicht vergleichbar (und zählbar sind). Dennoch kann man diesen Versuch als einen (vagen) Hinweis lesen, wie stark solche Verlaufseffekte in bestimmten Einkommensbereichen sind.