Das Klassenmodell nach Daniel Oesch setzt sich von dem EGP-Modell Goldthorpes ab, da dies doch stark durch die Strukturen der klassischen Industriegesellschaft und ihre männlich dominierte Arbeitswelt geprägt sei; mithin könne das Modell die jüngeren Veränderungen, die mit der Transformation der Industriearbeit und mit der steigenden Beschäftigung von Frauen einhergingen, nicht angemessen abbilden. Das von Oesch entwickelte Modell unterscheidet verschiedene Logiken der abhängigen und selbstständigen Arbeit. Bei den abhängigen Arbeiten ist dies eine technische, eine organisationale und eine interpersonale bzw. Dienstleistungslogik. Innerhalb dieser Logiken der abhängigen Arbeit wird dann nach den erforderlichen Qualifikationen unterschieden; bei der selbständigen Arbeitslogik erfolgt die Unterscheidung nach der Größe des Unternehmens. Dies wird im oberen bzw. unteren Teil der Tabelle dargestellt.
In der Tabelle sind die sich verändernden Beschäftigtenanteile in den einzelnen Klassen verzeichnet; der erste Prozentwert steht für das Jahr 1990/91, der zweite für 2007/08. Deutlich erkennbar ist der weiter anhaltende Rückgang der weniger qualifizierten Arbeit im industriellen Sektor und die deutlichen Zuwächse bei den höher qualifizierten Arbeiten im interpersonalen bzw. im Dienstleistungsbereich und bei der organisationalen Arbeit.
- In der Rubrik der technischen Arbeitslogik finden sich viele Berufe, die aus der nunmehr stark technisierten industriellen Arbeit hervorgegangen sind. Es wird deutlich erkennbar, dass die dramatischen Einbrüche im Bereich der technischen Arbeitslogik ausschließlich auf den weniger qualifizierten Bereich zurückgehen.
- Die organisationale Arbeitslogik hat mit den größer werdenden Betriebs- und Verwaltungseinheiten an Bedeutung gewonnen; auch die jüngsten Entwicklungen des Outsourcings (z.B. Ausgründung von Unternehmensteilen) bzw. Offshorings (europäisierte und globalisierte Produktionszusammenhänge) oder die stärkere Finanzialisierung gehen mit einem Anwachsen der organisationalen Arbeit einher.
- Schließlich nehmen auch die Berufe, die der interpersonalen Logik folgen, zu; das hängt mit dem Bedeutungsgewinn von Erziehungs-, Ausbildungs- und Pflegeberufen und allgemein dem Ausbau des Sozialstaats zusammen. Es sind aber auch einfache Dienstberufe, in denen interpersonale Leistungen erbracht werden.
- Im Kontext der selbständigen Arbeitslogik (Selbstständige und Freiberuflich Tätige) zeigen sich leichte Zuwächse sowohl in den kleineren wie den größeren Betrieben.
Die besonderen Potentiale des Oesch-Modells zeigen sich auch darin, dass damit die nach wie vor zu findenden eher männlich und eher weiblich dominierten Tätigkeitsfelder gut abgebildet werden können.
Hier ein aktuelles Beispiel zum Einsatz des Oesch-Modells.
Kommentar
Verglichen mit anderen berufs- bzw. erwerbsbezogenen Sozialstrukturmodellen kann die von Oesch vorgeschlagene Klassifikation grundlegende Veränderungen in den transformierten und sozialstaatlich regulierten Industriegesellschaften des späten 20. und des 21. Jahrhunderts recht gut darstellen.
Wie alle anderen ausschließlich an der Erwerbsarbeit orientierten Konzepte bleiben die zunehmend bedeutsamen Lebensphasen vor (Sozialisation, Schule, Ausbildung), während (z.B. längere Phase der Familienarbeit oder der Arbeitslosigkeit) und nach (verschiedene Formen des gesicherten oder weniger gesicherten Ruhestands) der Erwerbsphase außer Acht. Auch die in manchen Ländern hohen Teilzeitquoten können mit diesem Modell nicht angemessen erfasst werden; sie führen sogar zu einer gewissen Verzerrung der Anteilswerte der Gruppen, da nicht die Arbeitsvolumina, sondern nur die Beschäftigtenzahlen zugrunde gelegt werden.
Literatur
Oesch, Daniel 2006: Redrawing the Class Map. Stratification and Institutions in Britain, Germany, Sweden and Switzerland, Basingstoke: Palgrave Macmillan.
Oesch, Daniel 2013: Occupational Change in Europe. How Technology and Education Transform the Job Structure, Oxford: Oxford University Press