Der Begriff steht für die Überschneidung, die Überkreuzung verschiedener Dimensionen sozialer Ungleichheit. So ging es zu Anfang insbesondere um die Intersektion von race, class und gender. Über eine additive Perspektive hinaus wird davon ausgegangen, dass sich soziale Ungleichheiten (class) für Männer, Frauen und Diverse (gender) oder für rassistisch Klassifizierte (race) in je anderer Weise darstellen.
Die Ursprünge dieses Ansatzes finden sich im Kontext des Schwarzen Feminismus in den USA. Kimberlé Crenshaw analysierte z.B. die sich überlagernden Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Frauen aus der Unterschicht und ihre juristische Aufarbeitung. Der Begriff fand sehr schnell auch im wissenschaftlichen Feld Verbreitung und wurde um zusätzliche Dimensionen (z.B. ›Behinderung‹, Aufenthaltsrechte) erweitert. Er war auch an die Diskurse der Geschlechterforschung im europäischen Raum anschlussfähig. Yuval-Davis kommt zu der Einschätzung, dass Intersektionalitätsanalysen »ungefähr zur gleichen Zeit von einigen europäischen und post-kolonialen Feministinnen entwickelt« wurden (2013, S. 205).
Grob verallgemeinernd lassen sich vier unterschiedliche Kontexte abgrenzen, in denen das Konzept der Intersektionalität derzeit eine Rolle spielt:
- Intersektionalität als wissenschaftliches Konzept der Sozialstrukturforschung: vgl. dazu die einführenden Darstellungen von Degele/ Winker (2009) oder Collins/ Bilge (2016)
- Intersektionalität als spezifische Forschungsperspektive, die im Kontext ganz unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen verfolgt wird: z.B. in der Gesundheits- oder in der Rechtswissenschaft (vgl dazu. Mefebue u.a. 2022)
- Sozialpolitische oder betriebliche Praxisfelder, in denen die Konzepte der Intersektionalität (bzw. der Diversität) eingesetzt werden: z.B. in Institutionen, die mit Fragen der Gleichstellung, des Gender Mainstreaming oder der Antidiskriminierung befasst sind
- Studiengänge, die sich mit den Themen Intersektionalität (bzw. Diversität) befassen
Wenn man den Verlauf des Intersektionalitätsdiskurses und die sich darum organisierenden wissenschaftlichen communities anschaut, sind die Ansätze der Intersektionalität und der Sozialstrukturanalyse zwar benachbarte aber doch eher unabhängige wissenschaftliche bzw. wissenschaftlich-politische Unternehmungen.
weiterlesen …
- Intersektionale Ansätze der Sozialstrukturanalyse
- Der auf dieser Website favorisierte Ansatz einer praxeologischen Sozialstrukturforschung bietet gute Möglichkeiten der Verschränkung beider Ansätze.
- Auch bei Annette von Alemann (2022, S. 25ff) finden sich verschiedene Vorschläge einer Zusammenführung zu einer »intersektionalen Ungleichheitsanalyse«.
Literatur
Alemann, Annette von 2022: Ungleichheit und Intersektionalität, in: Mefebue, Astrid Biele u.a. (Hrsg.) 2022: Handbuch Intersektionalitätsforschung, S. 21-34
Crenshaw, Kimberlé et al. (ed.) 1995: Critical Race Theory, New York: New Press
Collins, Patricia Hill / Sirma Bilge 2016: Intersectionality, Polity Press: Cambridge
Mefebue, Astrid Biele/ Andrea Bührmann/ Sabine Grenz (Hrsg.) 2022: Handbuch Intersektionalitätsforschung, Wiesbaden: Springer VS
Meyer, Katrin 2023: Theorien der Intersektionalität zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag
Winker, Gabriele/ Nina Degele 2009: Intersektionalität Zur Analyse sozialer Ungleichheiten, Bielefeld: Transcript
Yuval-Davis, N. 2010: Jenseits der Dichotomie von Anerkennung und Umverteilung. Intersektionalität und soziale Schichtung, in: H. Lutz/ M. T. H. Vivar/ L. Supik (Hrsg.), Fokus Intersektionalität, Wiesbaden: VS Verlag, S. 203-221