In diesem Beitrag sollen zwei wichtige Aspekte der Einkommensentwicklung in den letzten Jahrzehnten dargestellt werden.
Überblick:
- Entwicklung der Nettoäquivalenzeinkommen
- Entwicklung der Armutsrisikoquoten
Nettoäquivalenzeinkommen
Hierzu werden Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) genutzt. So kann die Entwicklung der durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen in den Jahren 1984 bis 2020 dargestellt werden. Die Daten bis 1991 beziehen sich nur auf Westdeutschland. Grundsätzlich ist bei solchen auf Befragungsdaten basierenden Analysen damit zu rechnen, dass insbesondere die Spitzeneinkommen aber auch die Einkommenslage von besonders armen Haushalten vermutlich nicht adäquat dargestellt werden kann; dies Problem wird an anderer Stelle genauer erörtert. Die hier präsentierten Analysen wurden mit gewichteten Daten durchgeführt.
Wenn man zunächst einmal die Entwicklung der preisbereinigten (in Preisen von 2016) Mediane der Nettoäquivalenzeinkommen betrachtet, wird eine deutliche Entwicklung erkennbar. Die Jahreseinkommen sind von etwa 18.400 auf 27.200€ angestiegen; sie sind also durchschnittlich um 48% gewachsen.
Um diese Entwicklung etwas genauer zu verstehen, werden die Teilnehmer_innen des SOEP nach ihrem schulischen Bildungsabschluss aufgeschlüsselt. Dabei wird zwischen unterdurchschnittlichen (fehlender Abschluss, Haupt- und Realschulabschluss), durchschnittlichen (Fachhochschulreife, Abitur, abgeschlossene Lehre oder Berufsfachschule) und überdurchschnittlichen Abschlüssen (Abschluss an Schulen des Gesundheitswesens bzw. öffentlichen Dienstes, Fachhochschulen, Universitäten) unterschieden.
Es wird deutlich, dass alle Gruppen deutliche Einkommenszuwächse erfahren; aber die Höhe dieser Zuwächse unterschiedet sich erheblich; bei den überdurchschnittlich Ausgebildeten sind es 47%, bei den durchschnittlich Ausgebildeten 36% und bei den unterdurchschnittlich Ausgebildeten nur 21%. Der verblüffende Effekt, dass der durchschnittliche Anstieg stärker ausgeprägt ist als der Anstieg bei der bestqualifizierten Gruppe, hängt damit zusammen, dass sich die Zusammensetzung der Gruppen erheblich verändert hat. So ist der Anteil der gering Qualifizierten von 25% (1984) auf 12% zurückgegangen. Bei den durchschnittlich Qualifizierten haben sich die Anteile recht wenig verändert. Der Anteil der überdurchschnittlich Qualifizierten ist von 9,5 auf 22% angestiegen. D.h. das starke Wachstum der durchschnittlichen Einkommen hängt nicht unerheblich mit dem Qualifikationsanstieg zusammen.
Armutsrisikoquoten
Während es bisher um die Entwicklung einer absoluten Größe, dem Nettoäquivalenzeinkommen, ging, wird im Folgenden eine relative Perspektive eingenommen, indem die Entwicklung des Anteils des ärmeren Einkommenssegments betrachtet wird. Die Armutsquote oder Armutsrisikoquote ist nach EU-Standard als der Anteil derjenigen bestimmt, deren Nettoäquivalenzeinkommen unterhalb des Grenzwerts von 60% des Durchschnitts (Median der Nettoäquivalenzeinkommen) liegt. Der Begriff der Armutsrisikoquote soll daran erinnern, dass man von der Einkommenslage in einem einzelnen Jahr (in einer prosperierenden Industriegesellschaft) nicht unmittelbar auf eine Armutssituation schließen kann. Von Armut sollte sinnvollerweise dann gesprochen werden, wenn es zu einer Verfestigung solcher Einkommenslagen kommt.
In der folgenden Abbildung kann die längerfristige Entwicklung der Armutsquote in Deutschland verfolgt werden; die Angaben bis 1991 beziehen sich nur auf Westdeutschland. Bis etwa 2002 hat sich die Armutsrisikoquote in einem Korridor zwischen 10 und 12% bewegt. Danach setzt ein deutlicher Anstieg ein; er beginnt wohlgemerkt vor der Verabschiedung der sogenannten Hartz-Reformen.
Zwischen 2003 und 2014 bewegt sich die Armutsrisikoquote in einem Korridor zwischen 13 und 15%. Ab 2015 erhöht sich das Niveau erneut; die Quote liegt dann zwischen 16 und 17%.
Auch hier soll die Entwicklung entlang der schulischen Abschlüsse (s.o.) weiter aufgegliedert werden. Der Verlauf aller drei ausbildungsspezifischen Quoten ähnelt sich; eine relative konstante Entwicklung bis etwa 2000, danach steigen die Werte an. Die Unterschiede liegen dann aber in der Höhe der Quoten und auch in der Steilheit des Anstiegs nach 2000. Bei den überdurchschnittlich Qualifizierten werden in den letzten Jahren 6-8% erreicht; bei den durchschnittlich Qualifizierten sind es 12-14%. Recht anders ist der Verlauf bei der allerdings kleiner werdenden Gruppe (s.o.) der unterdurchschnittlich Qualifizierten; hier werden Armutsrisikoquoten von mehr als 30% erreicht.